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Der Stellenwert von Kraut und Sauerkraut in der bäuerlich-winterlichen Küche


Sauerkraut kam, wie noch Peter Rosegger zu berichten wusste, in der Winterzeit täglich auf den steirischen Bauerntisch. Dafür wurde das Herbstkraut auf der Krauthobel zerkleinert und in großen Holzbottichen, zusammen mit Wasser, Salz und Gewürze gegeben, um es Milchsauer zu vergären.


"Das Kraut wird mit Speck eingemacht in Ermangelung eines solchen oder wenn kirchlicher Fasttag ist, mit Butterschmalz geschmälzt oder mit Erdäpfel oder Feldbohnen hineingekocht. In meiner Handwerkszeit kam ich just einmal an den Herd, als die Bäuerin in Ermangelung eines anderen G'machets eine Talgkerze in den brodelnden Krauttopf steckte. Bei derselben Mahlzeit hat's den anderen recht geschmeckt, ich aber habe an der Krautschüssel nicht mitgehalten. Lebensphilosphen sagen es ja immer, dass das Wissen das Genießen verdirbt. Nun kommt das Kraut in einer großen Schüssel auf den Tisch, die Leute fahren mit ihren Löffeln oder Gabeln darauf los und beißen Brotschnitten dazu ... Im alten Bauernhofe wird das letige Kraut, es kommt täglich mittags und abend auf den Tisch, als ein Gericht für sich verzehrt. Erst wenn die Krautschüssel leer ist, kommen Knödel in der Fleischsuppe und Geräuchertes oder Grünfleisch (= frisches Fleisch), wovon der Hausvater jedem, der bei Tische sitzt, ein kleines Stück auf den Teller legt", so Rosegger.


Allerdings gab es früher auch Kraut und Fleisch zusammen. Da Fleisch wurde dabei allerdings in kleinen - und meist auch sparsamen - Brocken auf das Kraut aufgelegt.


Weißkraut Krautköpfe

Welchen Stellenwert das Kraut bzw. Sauerkraut bei den Bauern hatte, zeigt ein alter Hochzeitsbrauch aus dem Bezirk Fohnsdorf und in der Gegend um Judenburg (Steiermark), von dem es in der "Knaffl-Handschrift" aus dem Jahr 1813 heißt:


"Der erste Weg des Brautführers mit der Braut ist in die Küche, die Braut muss da aus einem schon für sie bereiteten Topf zwischen zween Fingern Salz nehmen und die beym Feuer stehenden Häfen (= Gefäß/ Topf) mit Kraut salzen. Hieraus lässt sie den Salztopf ein, zwei oder drey Zwanzger Stücke fallen, welches ein Geschenk der Köchin ist. Diese Zerimonie heißt das Krautsalzen."


Der Speisezettel zum Hochzeitsmahl einer "mittelmäßigen Bauernhochzeit" umfasst laut dieses anschaulichen Berichts von Knaffl: "1. Suppe mit gebähter Semel. 2. Rindfleisch mit gekochten Krenn. 3. Kraut mit Wurst oder gebackener Leber. 4. Eingemachtes Kälbernes und Lämernes. 5. Spanferkeln und Schweinener Braten. 6. Unterspeis, bestehend aus Lungenkoch und Schmarn. 7. Gepaiztes Rindfleisch mit sauern Salat. 8. Kalbsköpfe. 9. Hennen in der Reissuppe. 10. Frische ganze Zunge mit Weinberl (= Rosinen), Mandel und Ziweben. 11. Ganzes Pastetengebäck. 12. Kleinere viereckigt geformte Butterkrapfen. 13. Kalbsbraten mit Salat. 14. Gerollte Gerste in der Suppe. 15. Grosse Krapfen, im Durchmesser von anderthalb Schuhen. 16. Gebackene Zwetschgen ... Hier muss ich noch bemerken, dass wohl auch Torten und anderes Zuckergebäcke, oft auch wohl Kaffee etc. auf den Tisch kömmt und dass von jeder trockenen Speise ... jeder Gast seine tüchtige Portion mit nach Hause nihmt, welches Bschoadessen genent wird."


Historische Küchenutensilien im Freilichtmuseum
Krauthobel (zweites v.l.) im Freilichtmuseum Gerersdorf (Burgenland)

Kerniger und knackiger als das "Fasslkraut" war das sog. "Schwer-" bzw. "Grubenkraut". "Man wird seiner nie überdrüssig", bekennt Rosegger. Er schildert wie die Krautköpfe im großen "Gmoakessel" in siedendem Wasser überbrüht wurden (dabei konnte man 20 bis 30 Krautköpfe auf einmal kochen). "...Dann werden sie mit großen Seihern herausgefischt auf den Karren gelegt und, wenn das Wasser abgeronnen ist, in den Krauttaler gebracht. Der Krauttaler ist in der Nähe des Hofes im Freien. Er ist ein etwa eine Klafter weiter und vier bis fünf Klafter tiefer Schaft (ein Klafter entsprach in Österreich ungefähr 1,90 Meter); die Wand ist mit Lärchenholz stark eingefasst und der Grund mit Stroh belegt. Da hinab werden nun die weichgebrühten Gebel geworfen. Ist der Schacht voll, dann wird das Kraut mit einem runden Deckel zugedeckt und mit wuchtigen Steinen beschwert, die es zusammenpressen ... Somit ist das Kraut von der Luft abgeschlossen, un da unten kann es nun Jahr und Tag verbleiben, ohne das es verdirbt" (aus Peter Rosegger, Haus und Heim).


Die in einer solchen Grube entnommenen Krautköpfe wurden auf dem Krautstock geschnitten, dann lange gekocht. Die dritte und wohl auch älteste Art, wie man das Kraut in der Steiermark konserviert hat, war das Räuchern bzw. Selchen der Krautköpfe.


HISTORISCHES REZEPT:

KRAUT AUF STEIERMARKER ART

(aus dem "Österreischischen Kochbuch", Linz, o.J.)


Sauerkraut

"Nimm einen mittelgroßen Krautkopf, gib den Stengel und die äußeren Blätter weg, schneide von den übrigen Blättern die Rippen aus und schneide sie fein wie zu einem Krautsalat, gieße siedendes Salzwasser darüber, lasse es zugedeckt eine kleine Weile stehen, gib in ein Kasseroll kleinwürfelig geschnittenen Speck und Zwiebel, röste es zusammen einige Minuten und gib das ausgedrückte Kraut mit Salz und etwas Kümmel dazu, lasse es dünsten, bis es eine Farbe hat, staube Mehl daran, gieße etwas Rindsuppe, 1 Löffel Weinessig und Rahm dazu, dass es die rechte Dicke bekommt. Und lasse es zusammen noch eine Viertelstunde dünsten."


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